Urantransporte rollen mitten durch Köln – mit Aktivist Georg beim Trainspotten

aus: report-K.de
Kölnaktuell
Urantransporte rollen mitten durch Köln – mit Aktivist Georg beim Trainspotten
Köln | Es ist 4:55 Uhr Samstag Morgen. Es ist dunkel und kalt am Ensener Weg in Köln-Porz. Wir treffen Georg. Er ist Trainspotter, aber er interessiert sich nur für bestimmte Züge mit besonderen Containern. Sie tragen orange Schilder mit Nummern wie „2912“ und auf den Containern Zeichen von Radioaktivität. Es sind Urantransporte mitten durch Köln. Die Kölner Feuerwehr weiß, dass es solche Gefahrguttransporte gibt und hat für Unfälle standardisierte Abläufe.

Georg ist Aktivist des Kölner Anti-Atomplenums. Es ärgert ihn, dass zwar der Atomausstieg beschlossen sei, aber weiter hochgefährliche Züge durch Deutschland und Köln rollen. Georg spricht daher von der „Ausstiegslüge“. Der Zug am Montagmorgen ist Georg gemeldet worden. Es gebe mittlerweile ein gutes Netzwerk, dass die Kölner Aktivisten informiere, wenn die Züge
wieder rollen. Dieser Zug wurde in Hamburg zusammengestellt. Beladen ist er mit dem so genannten Yellow Cake, einem Stoff, den man für die Herstellung von spaltfähigem Uran benötigt. [report-K.de berichtete] Dies kommt aus Namibia mit dem Schiff nach Deutschland und reist dann mehrfach in unterschiedlicher Form durch Europa. Die gefährlichste Form ist Uranhexafluorid, leicht flüchtig und sehr giftig. Auch dieser Stoff wird mit der Bahn quer durch Deutschland transportiert. Im Hamburger Hafen kam es am 1. Mai 2013 zu einem Zwischenfall auf dem Frachter „Atlantic Cartier“. Es war ein Feuer ausgebrochen. 16 Stunden löschte die Hamburger Feuerwehr. Uranhexafluorid darf nicht mit Löschwasser in Verbindung kommen und dennoch stand damals in ganz Norddeutschland kein CO2 zum Löschen den Feuers zur Verfügung. Die Gefahrgutbehälter konnten allerdings noch rechtzeitig gesichert werden. Kommt Uranhexafluorid mit Wasser in Berührung, dann bildet sich Flusssäure ein sehr giftiger Stoff.

Philip Hessemer von der Kölner Berufsfeuerwehr erläuterte, dass man nach standardisierten Verfahren auf solche Transporte vorbereitet sei. Es gebe Einsatzkonzepte für die Gefahrenabwehr bei atomaren, biologischen oder chemischen Stoffen. Die Feuerwehr wird über die Transporte mit der Bahn durch Köln nicht informiert. Dies sei, so der Experte, bei der Vielzahl der Transporte von chemischen Stoffen durch Köln gar nicht zu leisten. Im Falle eines Unfalles gehen die Feuerwehrbeamten in der Regel nicht von einer vollständigen Freisetzung aus, sondern in der Regel von Leckagen, also dem Austritt kleinerer Mengen. Die Transporte seien gekennzeichnet und anhand der Kennzeichnung leicht zu identifizieren. Zudem sei die Deutsche Bahn sehr gut organisiert und so wüsste man häufig sehr schnell, welcher Stoff in einem Zug transportiert wird. Bei der Kennzeichnung widersprechen die Aktivisten, die die Züge beobachten. Oft fehlten gerade bei der Bahn die entsprechenden Kennzeichen, da diese nur aufgeklebt seien. Die Bevölkerung so Hessemer würde bei einem Unfall entsprechend den Warnhinweise, also Sirene und Radiodurchsagen gewarnt.
Georg spottet die rollenden Atomtransporte seit drei Jahren. Als der Zug losfährt, sagt er per Smartphone weiter südlich dem nächsten Aktivisten Bescheid, der die Beobachtung des Zuges übernimmt. Man könne immer Aktivisten gebrauchen, die helfen sagt Georg. Den nervt nicht nur die Lüge um den Atomausstieg, sondern auch, dass in Deutschland immer noch Material hergestellt wird, dass auch für die Produktion von Atomwaffen benötigt wird. Er kritisiert auch die Container in denen die gefährlichen Stoffe transportiert würden. Viele seien alt oder deren Zulassung sei abgelaufen. Georg ist sich sicher, dass hier geschlampt werde und es einfach niemanden interessiert. Als wir mit Georg am Rande des Bahngeländes stehen, kommt ein Mitarbeiter der Bahn vorbei und fragt, was wir denn interessantes beobachten würden. Georg erzählt dem Bahnmitarbeiter von der Fracht, die gerade in Richtung Köln-Süd den Bahnhof in Köln-Porz verlassen hat. Der Bahnmitarbeiter glaubt Georg nicht, spricht von schwach radioaktiven medizinischen Abfällen und das die Bahn gar kein Yellow Cake oder Uranhexafluorid mehr transportiere.
Dabei müsste er es besser wissen, denn die ADR-Nummer „2912“ gibt einen Hinweis auf den Stoff und die Sicherheitsmaßnahmen: Es handelt sich um Radioaktive Stoffe mir geringer spezifischer Aktivität (LSA-I), nicht spaltbar oder spaltbar, freigestellt und kann bei bei starker Erwärmung oder Brand radioaktive, giftige und ätzende Dämpfe entwickeln. In den Einsatzrichtlinien steht, man solle mit Schutzanzug und Personendosimeter vorgehen. Der Mann von der Bahn geht zu seiner Arbeitsstelle und hört Georg gar nicht mehr zu, der ihm noch erklären will, wie gefährlich so ein Stoff vor der Haustür seines Arbeitsplatzes sein kann. In der Hochhaussiedlung in Porz-Finkenberg, rund 300 Meter von der Stelle an der gerade noch der Atomtransport stand, gehen langsam die Lichter an und auch am S-Bahnhof Steinstraße streben immer mehr Menschen zur Bahn. Schon wenige Tage nachdem wir mit Georg auf Atomzugpirsch waren, rollte der nächste Transport mit Yellow Cake durch Köln, meldeten die Aktivisten das Anti-Atomplenums Köln. Einen Zug mit Uranhexafluorid konnten die Aktivisten noch nicht selbst in Augenschein nehmen. Zu viele Gefahrguttransporter rollen durch Köln.
Andi Goral | 27.10.2015 | 14:02:46 Uhr

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