Widerstand in der Eifel gegen Tihange

Vor drei Jahren waren Risse im Reaktor 2 des umstrittenen Atommeilers Tihange gefunden worden. Vor der erneuten Inbetriebnahme regt sich großer Widerstand auch aus der Eifel. Von Kirsten Röder

Euskirchen.
Die Sorge über die erneute Inbetriebnahme des belgischen Atommeilers Tihange ist in der Eifel groß. Vor drei Jahren waren Risse an dem umstrittenen Reaktor 2 gefunden worden und dieser stillgelegt worden. Nun bringt der Betreiber Electrabel den Reaktor wieder ans Netz. Vor drei Wochen hatte die belgische Atomkontrollbehörde grünes Licht für die Wiederinbetriebnahme gegeben.

Dagegen gibt es heftigen Widerstand in der Region. „Wenn der Gau eintritt, weht das alles bis hierhin. Tihange ist nur 125 Kilometer von der Eifel entfernt. Das ist eine permanente Gefahr, die alle angeht“, sagt Pierre Mosbeux aus Kall, der sich bei Antiatom Euskirchen engagiert und nun mit anderen Aktivisten zu einer Informations-Veranstaltung ins Café Kulturhof eingeladen hatte. Als Referent konnte der Atomkraftgegner Jörg Schellenberg gewonnen werden.

Der Gründer des Aktionsbündnisses gegen Atomkraft in Aachen fand bei seinem Vortrag klare Worte. Das 40 Jahre alte Atomkraftwerk sei ein Problemfall, sagte er. Es sei unverantwortlich, dass dieser marode Reaktor wieder anlaufen solle. Schellenberg hat Angst vor einer möglichen Katastrophe: „Unsere Forderung ist, dass dieser Reaktor nie wieder ans Netz gehen darf, weil es viel zu gefährlich ist.“

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2000 Risse am Druckbehälter

Techniker hätten bei Ultraschalluntersuchungen 2012 rund 2000 Risse am stählernen Druckbehälter des zweiten Reaktors, gefunden, erläuterte der Atomkraftgegner. „Ausgerechnet da“, so Schellenberg. Denn in dem vier Meter breiten und 13 Meter hohen Stahlbehälter befänden sich die radioaktiven Brennstäbe. Hier finde die Kernspaltung statt. Schellenberg: „Es ist das Kernbauteil eines Atomkraftwerkes. Jede Sicherheitsberechnung eines Atomkraftwerks verlässt sich darauf, dass der Druckbehälter nie kaputt geht, sondern unter allen Umständen intakt bleibt.“ Aufgrund der Schäden ist aus Sicht von Schellenberg nicht auszuschließen, dass der Druckbehälter bersten könnte. Der Kraftwerkbetreiber widerspreche da aber. Für eine solche Annahme gebe es keinen Beleg.

Dass die Folgen eines Reaktorunfalls auch die Eifel treffen würden, davon ist Schellenberg überzeugt. Bei Westwind sei eine radioaktive Wolke schnell in der Region. Schellenberg: „Bereiche hier würden unbewohnbar und müssten dauerhaft evakuiert werden. Die betroffene Zone reicht bis in die Eifel hinein.“ Die belgische Atomaufsicht „FANC“ hat nach seiner Einschätzung versagt. Das Atomkraftwerk hätte schon 2013 komplett abgeschaltet werden müssen. Die durchschnittliche Länge der Risse betrage 1,8 cm, die größten seien sogar 18 Zentimeterlang, so Schellenberg: „Da kann man nicht mehr von Mikrorissen sprechen.“ Die Risse gingen bis jetzt allerdings noch nicht komplett durch den Behälter durch. Trotzdem könnten sie nach Meinung Schellenbergs eine Kernschmelze auslösen. „Das ist besonders schlimm, weil es mit den Rissen theoretisch zu einem spontanen Versagen des Behälters kommen kann.“ Bei Katastrophenszenarien gehe man davon aus, dass man von Eintritt eines solchen Ereignisses bis zur Freisetzung von Radioaktivität mindestens 21 Stunden Zeit habe. Die Eifel vielleicht sogar noch drei bis vier Stunden mehr. Doch solche Puffer, so Schellenberg,fielen bei einem spontanen Versagen weg. „Strahlung kennt keine Grenzen“, meinte auch Martina Haase von der AKW-Nee-Gruppe Aachen und rief an diesem Abend erneut zur gemeinde- und länderübergreifenden Zusammenarbeit der Anti-Atomkraftgegner auf.

Zufrieden mit Veranstaltung

Mosbeux war zufrieden mit der Veranstaltung, obwohl sich nur wenige Zuhörer einfanden. Der Kaller hat sich Ziele gesetzt: „Ich weiß, dass man als Einzelperson relativ wenig verändern kann. Aber zumindest kann ich Infos streuen. Es soll keiner sagen können, er hätte von nichts gewusst.“ Seine Leitlinie sei: „Global denken und lokal handeln.“

Organisiert wurde der Info-Abend von Art Eifel, Antiatom Euskirchen und Windenergie Nordeifel. Die Band Los Vecinos nahm die Zuhörer mit auf eine musikalische Reise durch Südamerika, Frankreich und Spanien. „Mit Chanson-Feeling und spanischer Leidenschaft erzählen ihre Lieder von der Liebe zu einfachen Sachen, von wiedergefundenem Mut, von der Notwendigkeit, sich Zeit zu nehmen und zu träumen, von Vergänglichkeit oder einfach von der Freude, zusammen zu musizieren“, so die Veranstalter.

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