Pressereaktion auf Urantransport durch Köln

http://www1.wdr.de/themen/urantransport-durch-nrw100.html

Uran-Transporte durch NRW:
Strahlende Fracht auf geheimer Reise?

Von Sabine Tenta und Dominik Reinle

Uran aus Kasachstan soll zur Weiterverarbeitung quer durch Europa verschickt werden und auch durch NRW reisen. Eine gefährliche Fracht, wie Atomkraftgegner kritisieren. Die Bevölkerung erfahre nichts von den Transporten – und die Behörden geben sich zugeknöpft.

Nach Informationen der Zeitung „Trierischer Volksfreund“ finden geheime Urantransporte durch Deutschland statt. Container mit radioaktivem Material aus Kasachstan würden mit Ziel Südfrankreich per Zug durch NRW und Rheinland-Pfalz rollen. Nach Recherchen der Zeitung fahren zwei bis fünf Transporte pro Monat mit Uran von Hamburg über Köln, Bonn, Koblenz, Trier, Richtung Saarbrücken nach Frankreich. Aktivisten der Anti-Atombewegung berichten, dass sie Uran-Transporte beispielsweise in Köln gesichtet haben.

Uran-Reise quer durch Europa

Udo Buchholz, Vorstandsmitglied des „Bundesverbands Bürgerinitiativen Umweltschutz“ (BBU) mit Sitz in Bonn, erklärte WDR.de am Mittwoch (23.07.2014) die Hintergründe der Transporte: In Kasachstan würde Uran abgebaut. Damit es einsatzfähig in Atomkraftwerken sei, müsse es weiterverbeitet und angereichert werden. Das geschehe in diversen Anlagen in Europa, unter anderem in Frankreich und in Gronau, wo die einzige deutsche Urananreicherungsanlage steht. „Auf dem Weg vom Abbauort bis zum Atomkraftwerk haben wir ein enormes Hin und Her.“ Die Urantransporte aus Kasachstan mit Ziel Südfrankreich hätten beispielsweise „Yellow Cake“ geladen, so nennt man das Urankonzentrat, das noch angereichert werden muss, damit es spaltfähig ist. Es sei nicht auszuschließen, dass dies aufbereitete Uran später nach Gronau komme, um dort weiterverarbeitet zu werden.

BBU: Urantransporte sind gefährlich

Udo Buchholz sagt, dass von den Uran-Transporten eine Gefahr für die Bevölkerung ausgeht. Die Transporte mit den „Yellow Cakes“ seien dann relativ sicher, wenn die Container dicht sind. Im Falle eines Defekts würde jedoch lungengängiger radioaktiver Staub freigesetzt. Gefährlicher würden die Transporte, wenn das Uran zu Uranhexafluorid verarbeitet wurde. Das ist das Produkt, das in Südfrankreich entsteht und dann möglicherweise zurück nach NRW reist. Udo Buchholz erklärt: „Wenn dieser Stoff freigesetzt wird und mit Feuchtigkeit zusammenkommt, entsteht Fluss-Säure.“ Die sei hochätzend und könne tödlich sein. „Und für diese Reaktion reicht bereits die Luftfeuchtigkeit aus“, so Buchholz. Nicht auszudenken sei, dass die Feuerwehr im Falle eines Brands nicht über die Fracht informiert sei und Wasser zum Löschen einsetze. „Weitere Gefahren sind natürlich Terrorangriffe oder auch Flugzeugabstürze“, ergänzt Buchholz. Darum fordert der BBU eine sofortige Stilllegung aller Atomanlagen und ein Ende der Uran-Transporte.

Wer ist zuständig?

Der Versuch, die Frage zu klären, wer überhaupt zuständig ist für diese Urantransporte, führte über mehrere Behörden und Ministerien: Das NRW-Innenministerium verwies auf das NRW-Wirtschaftsministerium, das wiederum sagte, das Innenministerium sei zuständig. Wolfgang Beus, Sprecher des NRW-Innenministeriums erklärte daraufhin, dass sein Ministerium nur bei Transporten mit radioaktiven Stoffen auf der Straße informiert werde. Transporte auf der Schiene, wie sie jetzt von Anti-Atomaktivisten beobachtet wurden, würden dem Innenministerium nicht gemeldet. Diese Transporte müsste das Eisenbahnbundesamt genehmigen. Für die Sicherung derartiger Transporte sei die Bundespolizei zuständig. Eine Sprecherin der Bundespolizei erklärte WDR.de, dass „aus einsatztaktischen Gesichtspunkten keine Angaben zu Sicherungsmaßnahmen“ gemacht werden können. Weitere Informationen zu Transportwegen und Verfahrensabläufen könne das Bundesamt für Strahlenschutz beantworten. Ein Sprecher des Bundesamts für Strahlenschutz sagte jedoch, seine Behörde sei nicht zuständig, da es sich nicht um Kernbrennstoffe, sondern um „sonstige radioaktive Stoffe“ handele. Zweifelsfrei zuständig ist das Eisenbahnbundesamt. Deren Sprecherin Heike Schmidt bat WDR.de um Verständnis, dass ihr Amt „zu Transportrouten aus Sicherungsgründen keine Auskünfte erteilen darf.“ Fakt ist also, dass keine Informationen zu der Route der Uran-Transporte und ihrer Sicherung von den zuständigen Behörden zu erhalten sind.

1.000 Geheimtransporte in zwei Jahren

Neu ist die Tatsache nicht, dass gefährliche Atomtransporte durch NRW führen ohne, dass die Bevölkerung etwas erfährt. Bereits Mitte Juli hatte die Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken geantwortet, dass es seit Anfang 2012 fast 1.000 Atomtransporte gegeben habe. Allein 186 davon führten von und zur Urananreicherungsanlage Gronau. In den letzten Jahren hatte es auch mehrere „kleine Anfragen“ im NRW-Landtag von den Piraten gegeben. Darauf hatte das Innenministerium geantwortet, dass die Transporte nicht dauerhaft dokumentiert werden, „da keine gesetzliche Aufbewahrungsfrist besteht.“ Diese Daten seien daher nicht verfügbar.

Der Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Grüne, Anton Hofreiter, forderte am Mittwoch (23.07.2014) in der „Aktuellen Stunde“, dass die Transporte künftig auch den Kommunen und Katastrophenschützern vor Ort bekannt gemacht werden. „Darüber hinaus müsste man die Urantransporte reduzieren, indem man zum Atomausstieg passend auch die Urananreicherung unterläßt und die dafür zuständigen Fabriken nach und nach schließt.“

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