Artikel zum neuesten Störfall in Jülich in den Aachener Nachrichten

Reaktion eines ehemaligen Mitarbeiters des AVR auf den Artikel:

Ja, das ist die Regel, nicht die Ausnahme. Vlt. bei DWR nicht ganz so häufig.
Ich erinnere mich an eine Sache im AVR-Betrieb, als man eine Blechdose unter eine leckende heisse Ölleitung stellte, um Abschaltung herauszuzögern. Nach Selbstentzündung ist die Turbinenwarte abgebrannt. Das meiste kommt nicht an die Öffentlichkeit.

aus Aachener Nachrichten

Mittwoch, 30. Januar 2019 · Nummer 25

Altreaktor 16 Stunden ohne Kontrolle

Jülich: Mitarbeiter trennt offenbar genervt von Meldungen Verbindung des stillgelegten Meilers zum Kontrollzentrum

VON VOLKER UERLINGS

JÜLICH Menschliches Versagen hat im stillgelegten Jülicher Atommeiler AVR (Arbeitsgemeinschaft Versuchs- reaktor) ein „meldepflichtiges Ereignis“ nach Atomgesetz ausgelöst: Im vergangenen Jahr blieb Ende August das Kontrollzentrum 16 Stunden lang „blind“. In dieser Zeit konnten keine Störmeldungen aus der Anla- ge in der Warte empfangen werden, weil ein Mitarbeiter ein Kabel durchtrennt und damit die Signalübertragung der Gefahrenmeldeanlage unterbunden hatte. Das bestätigte die Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen mbH ( JEN) auf An- frage unserer Zeitung.

Die Meldung der JEN GmbH an das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) liegt der

Redaktion vor und erklärt den Vorfall so: „Am 26.08.2018 kam es zu einem gehäuften, sich wiederholenden An- sprechen einer Störmeldung.“ Diese sei als „nicht relevant“ bewertet wor- den. Da die Meldung so häufig auftrat, dass die „übrige Überwachung der Anlage erheblich gestört war“, sei an diesem Sonntag in Absprache mit der Ingenieurrufbereitschaft ent- schieden worden, sie temporär zu unterdrücken. Kurzerhand habe ein Mitarbeiter der Fachrufbereitschaft ein Kabel durchtrennt, über das die offenbar nervenden Störmeldungen den Weg in die Kontrollwarte fanden.

Damit wurden aber letztlich alle Störmeldungen im früheren Meiler unterdrückt, zumal diese wichtige Kommunikationsfunktion auch nach dem Durchtrennen des Kabels nicht geprüft worden sei, heißt es in
der Störmeldung weiter. 16 Stunden danach wurde die Verbindung wieder hergestellt. „Das war menschliches Versagen und nicht korrekt“, sagte JEN-Pressesprecher Jörg Krie- wel im Gespräch mit unserer Zeitung. Dennoch verweist er darauf, dass durch den Vorfall in dem „kernbrennstofffreien“ Gebäude keine gefährliche Situation entstanden sei. Die Mechanismen, die vor Bränden oder „Eingriffen von außen“ schützen sollen, waren laut Kriewel nicht betroffen. Insgesamt stufte die JEN den Vorfall auf der internationalen Bewertungsskala INES im Bereich 0 (von 7) ein; das steht für „Ereignis ohne oder mit geringer sicherheitstechnischer Bedeutung“. Das Bundesamt habe sich dieser Einschät- zung angeschlossen.

Nach einem TÜV-Gutachten werden aber nun einige Maßnahmen ergriffen, um zu verhindern, dass sich ein ähnlicher Vorfall wiederholt. Zusätzliche Schulungen, eine deutlich verbesserte Dokumentation der Störmeldeanlage und elektronische Sicherheitsmaßnahmen zählen laut JEN-Sprecher dazu.

Der frühere Reaktorkern befindet sich in einem separaten Zwischenla- ger mehrere hundert Meter entfernt auf dem Jülicher Gelände. Im Altgebäude, das von innen nach außen zurückgebaut wird, befinden sich aber zum Beispiel noch mit radioaktiver Strahlung kontaminierte Abschirmungen.

Das Antiatomplenum Köln hat den Vorfall in einem Bericht des Bundesamtes für kerntechnische Entsorgungssicherheit entdeckt und verurteilt diesen „höchst fahrlässigen Umgang mit einer Störfallmeldung durch Abschaltung der Anlage aufs Schärfste“.